Mein Anliegen:
Ich möchte Euch bitten, die Wortwahl mit denen Ihr zu einer Demonstration „gegen rechts“ aufruft, zu überdenken.
Mein Vorschlag wäre, die beiden Worte „gegen rechts“ aus Eurem Sprachgebrauch zu streichen und ausschließlich die positiven Werte für dir Ihr Euch / wir uns gemeinsam einsetzen wollen, zu schreiben.
Also – im Fall einer Demo – gerne eine Demonstration „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“, für ein demokratisches und friedliches Miteinander, für Menschenrechte, für Menschlichkeit u.ä., denn damit ist alles gesagt, was zum Ausdruck gebracht werden soll. So wird der Fokus auf das Verbindende gelegt, das wir uns wünschen, und nicht auf das Trennende, das uns in Gefahr bringt.
Ich teile die große Sorge über politische Entwicklungen, die auf Menschenfeindlichkeit ausgerichtet sind voll und ganz, auch ich trage – wie wir alle – den großen kollektiven Schmerz der deutschen Geschichte des Nationalsozialismus in mir. Dennoch möchte ich davor warnen, die komplexe gesellschaftliche Entwicklung sprachlich auf viel zu einfache, schwarz-weiß-zeichnende Begriffe wie „rechts“ oder „links“ zu reduzieren. Dies wird der Komplexität der gesellschaftlichen Realität nicht gerecht und erscheint mir gefährlich, weil dadurch eine Konfliktspirale befeuert wird, die friedliche Lösungen und Versöhnung erschwert.
Eine der größten Herausforderungen in einer Zeit der Transformation (in der aufgrund der großen Krisen ganz viele Weichen völlig neu gestellt werden müssen), sind die verständlichen Ängste, die diese Wandlungsprozesse in fast allen von uns auf die eine oder andere Weise auslösen. Wie die Traumaforschung zeigt, sind es je nach unserer persönlichen Geschichte bzw. Geschichte unserer Vorfahren sehr unterschiedlich Ängste, die einzelne Menschen besonders plagen. Und in der Folge führt dies dazu, das wir Gefahren unterschiedlich einschätzen und uns dann darüber zerstreiten, weil wir nicht nachvollziehen können, dass andere Menschen unsere individuellen Sorgen nicht teilen. Ein Austausch auf sachlicher Ebene ist dann sehr schwierig, wir reagieren alle sehr emotional und sind in diesem aktivierten Zustand unseres Nervensystems nicht mehr in der Lage, ruhig abzuwägen und Verständnis füreinander aufzubringen. Die fatale Folge: Wir fangen an, uns als Gegner oder Feinde zu sehen, gegen die wir uns zur Wehr setzen müssen. Das ist das alte Muster, das allen Kriegen zugrunde liegt. Wenn wir solchen Impulsen auch in Zukunft weiter folgen werden, führt das auch jetzt wieder zum Aufbau von Fronten, zu Spaltung und Krieg, denn Krieg beginnt im Kopf (und unsere Sprache prägt unser Denken). Darin sehe ich eine sehr große Gefahr für uns alle. Krieg kann nie eine Lösung sein.
Ina Schicker, Allgäu-FairNetzt